Prenzlauer Berg – Wodkakopfschuss

Prenzlauer Berg – Wodkakopfschuss

Bernd Heyden, Wodkakopfschuss, Berlin – Ecke Prenzlauer, Fotografien 1966-1980
Bernd Heyden, Rauchende Kinder, Berlin – Ecke Prenzlauer, Fotografien 1966-1980
Bernd Heyden, Der Stehgeiger, Berlin – Ecke Prenzlauer, Fotografien 1966-1980

An Bernd Heydens Fotos des Prenzlauer Berges und seiner Einwohner kann man ungefähr die Distanz ermessen, die viele Ostdeutsche Richtung Westen zurückgelegt haben. Vermutlich sah es im Ruhrpott nicht wesentlich anders aus. Aber wenn Du heute durch den Prenzlauer Berg gehst, siehst du nichts mehr von dieser Vergangenheit. Die Orte sind weg, die Menschen  sind weg. Jetzt gibt neue Orte und neue Menschen. Nur noch wenige Wodkakopfschüsse und wenn dann von polnischen Obdachlosen und Easy-Jet-Touristen, die neuen Einheimischen trinken vermutlich gemäßigter.

Und der Heyden ist so speziell wie seine Fotos gewesen. Ausgebildeter Damenschneider, arbeitet Ende der Fünfziger Jahre als Bügler. Dann 1962  als Chauffeur des Rektors der Hochschule für bildende und angewandte Kunst in Berlin-Weißensee, 1963 persönlicher Fahrer des Leiters des Instituts für angewandte Kunst (später Amt für industrielle Formgestaltung). Von da an läuft er zu großer Form auf. Hat genug Zeit, am Auto lehnen, warten, umschauen, beobachten. Heyden beginnt zu fotografieren. Und fotografiert sich Schritt für Schritt nach oben, bis zur Aufnahme in den Verband bildender Künstler der DDR. Ganz Großes ist dem Heyden versagt, denn er stirbt schon 1984, vermutlich an den Folgen seiner Alkoholsucht.

Der proletarische Hintergrund vieler DDR-Künstler ist interesssant. Einmal natürlich diejenigen, die der Ideologie gemäß als schreibende, schauspielernde und malende Arbeiter einer proletarischen Kunst zum Durchbruch verhelfen sollten. Wobei ich das nicht abwertend meine, siehe Heyden und andere. Und dann gab es diejenigen akademischen Künstler, die sich aus Opposition und aus Gründen individueller Lebensgestaltung ihr inoffizielles Künstlerdasein mit allenmöglichen Jobs erarbeiten mussten und so zwangsläufig Einblick in Fabrik, Tagebau und Leichenschauhaus bekamen. Vielleicht ist das die genuine Stärke der DDR-Kunst und der DDR-Künstler, dass sie diese, häufig erzwungene (§ 249 StGB der DDR stellte „Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch asoziales Verhalten“ unter Strafe), Verwobenheit in die Sphäre der Produktion, der Lebenswelt der kleinen Leute und gesellschaftlichen Randfiguren hatten. Vielleicht.

Bernd Heyden, Berlin – Ecke Prenzlauer, Fotografien 1966-1980,  Herausgegeben von Mathias Bertram in Zusammenarbeit mit dem Bildarchiv
Preußischer Kulturbesitz
Bilder und Zeiten. Hrsg. von Mathias Bertram. Band 6
ISBN 978-3-937146-61-4